Vertreter aus 93 Ländern und von acht internationalen Organisationen machten ihr Familienfoto und sprachen über den Weg zum Frieden in der Ukraine. So lief der erste Tag auf dem Innerschweizer Berg.
Zum Auftakt der Bürgenstock-Konferenz dämpfte Viola Amherd gleich einmal die Erwartungen. «Wir werden nicht den Frieden für die Ukraine verkünden können», erklärte die Schweizer Bundespräsidentin vor rund 500 Medienschaffenden aus aller Welt, die auf dem Innerschweizer Berg versammelt waren und ihren Eröffnungsworten am Samstagnachmittag lauschten. Das Ziel an diesem Wochenende sei bescheidener, so Amherd: Man wolle einen Prozess in Richtung eines Friedens anstossen.
Überhaupt war am Samstag unter den Teilnehmern der Konferenz viel von «ersten Schritten», einem «Anstoss von Entwicklungen» und der «Inspiration für einen Prozess» die Rede. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hatte den Friedensprozess, der auf dem Bürgenstock eingeleitet werden soll, schon im Vorfeld wiederholt als «zartes Pflänzchen» bezeichnet, das vorsichtig herangezogen werden müsse.
Eine vereinte Welt ist stärker als ein Aggressor
Zuversichtlich zeigte sich jedoch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, auf dessen Initiative hin die Schweiz den Gipfel ausrichtet. Auf dem Bürgenstock könne der Grundstein für einen gerechten und nachhaltigen Frieden gelegt werden, sagte Selenski. Es sei ein historisches Ereignis, dass sich Vertreter von 93 Ländern aus aller Welt und acht internationale Organisationen an einem Ort versammelten, um die Grundwerte der internationalen Gemeinschaft zu bekräftigen. Dies allein zeige, dass eine vereinte Welt stärker sei als ein Aggressor, der den Krieg in seinem Land provoziert habe, betonte Selenski.
Das angesprochene Russland war nicht zu der Konferenz eingeladen worden. Doch kurz vor Beginn des Treffens hatte der russische Präsident Wladimir Putin überraschend neue Forderungen für einen Frieden im Krieg mit der Ukraine gestellt. Unter anderem meldete er Anspruch auf vier ukrainische Regionen an und forderte eine Garantie, dass die Ukraine nicht der Nato beitritt.
Dies sei kein Verhandlungsangebot, sondern der Aufruf zu einer Kapitulation der Ukraine, hiess es dazu von verschiedenen Teilnehmern, darunter auch die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris.
Russland soll künftig einbezogen werden
In ihren offiziellen Eröffnungsreden am Samstagabend betonten verschiedenste Redner von Amherd über Scholz bis zu Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron allerdings, dass es künftig nötig sein werde, mit russischen Vertretern gemeinsam über einen Frieden zu verhandeln. Deutlich wurde der saudiarabische Aussenminister Prinz Faisal bin Farhan al-Saud: «Jeder glaubwürdige Prozess erfordert auch die Teilnahme Russlands.»
Die Teilnahme Saudiarabiens, das gute Beziehungen zu Russland unterhält, war für die Organisatoren der Konferenz wichtig, denn deren erklärtes Ziel war es, möglichst viele nichtwestliche Staaten auf den Bürgenstock zu lotsen. Laut Informationen der NZZ sind ausserdem bereits Verhandlungen darüber im Gang, ob eine mögliche Folgekonferenz im saudischen Riad stattfinden könnte.
Die Ukraine zeigte sich grundsätzlich offen für Diskussionen um eine Beteiligung Russlands an weiteren Konferenzen. Man werde aber genau prüfen, wann und wie mit russischen Vertretern gemeinsam über Frieden verhandelt werde, erklärte Wolodimir Selenskis Stabschef Andri Jermak am Rande der Konferenz. Die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine seien nicht verhandelbar. Jermak erinnerte noch einmal daran, dass es für die Ukraine bei dem Treffen in der Schweiz um nicht weniger geht als um die Grundpfeiler des internationalen Rechts und des Zusammenlebens der Nationen.
Kleinteilige Arbeitstreffen am Sonntag
Inhaltlich setzt sich das Treffen nun allerdings kleinteiliger fort. In verschiedenen Arbeitsgruppen diskutieren die 101 Delegationen am Samstagabend und Sonntagmorgen Themen rund um den sicheren Betrieb von Nuklearanlagen, den ungehinderten Export von Nahrungsmitteln und humanitäre Fragen, wie den Austausch von Kriegsgefangenen und die Rückkehr von verschleppten ukrainischen Kindern.
Das Ziel ist ein möglichst grosser Konsens und eine gemeinsame Abschlusserklärung aller Teilnehmer. Diese soll am Sonntagnachmittag präsentiert werden. Einige prominente Gesichter werden dann allerdings längst abgereist sein. Die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris, Argentiniens Präsident Javier Milei oder der britische Premierminister Rishi Sunak bleiben höchstens noch zum Frühstück oder reisen schon nach dem gemeinsamen Nachtessen aus dem Luxusresort auf dem Bürgenstock ab.